Rinder statt Reben – als sich der Oberhaushof neu erfinden musste

Bild: Martin Zeller

Ein Beitrag von Jonas Bühler.

Das ausgehende 19. Jahrhundert war eine Zeit des Umbruchs. Mitte des Jahrhunderts war der Schweizerische Bundesstaat gegründet worden, was nicht nur politische und rechtliche Veränderungen nach sich zog, sondern sich auch auf die Wirtschaft auswirkte – nicht zuletzt durch die Abschaffung von Zöllen zwischen den Kantonen und die Einführung einheitlicher Mess- und Zahlungsmittel. Auf internationaler Ebene setzte sich die Industrialisierung immer mehr durch und machte auch vor der Schweiz nicht Halt.

In der generellen Aufbruchstimmung gaben viele Grossgrundbesitzer die Landwirtschaft auf und wurden zu Unternehmern. Auch in der Verwandtschaft der Familie Bühler sattelten Leute um: Der Müller Hürlimann eröffnete eine Brauerei, ein gewisser Adolf Bühler von der Gamsten oberhalb Feldbachs gründete die Maschinenfabrik in Uzwil.

Auf dem Oberhaushof verfolgte man diese Veränderungen aufmerksam und investierte auch teilweise in Industriebetriebe. So richtig wollte man jedoch nicht auf den Zug aufspringen. Man lebte gut von der Landwirtschaft und den Geldgeschäften, die man tätigte.

Irgendwann wurde es jedoch auch für die Familie Bühler schwierig. Dank der Eisenbahn hatte sich der Handel internationalisiert. Mit ihr wurden billigere Landwirtschaftserzeugnisse in die Schweiz importiert, wodurch auch hier die Preise fielen. In den 1880er-Jahren verbreiteten sich zudem der falsche Mehltau und die Reblaus am Ufer des Zürichsees und vernichteten einen Grossteil der Traubenernte. Für einen Landwirtschaftsbetrieb, der stark auf Weinbau setzte, waren diese Entwicklungen existenzbedrohend.

Auf dem Oberhaushof übernahm zu dieser Zeit der junge Albert Bühler-Reichling den Betrieb von seinem Adoptivvater Johann Jakob Bühler-Rebmann. Briefe bezeugen, dass er erwog, den Hof und das Land zu verkaufen. Es gab sogar konkrete Angebote. Letztendlich entschied er sich jedoch gegen einen Verkauf. Stattdessen baute er den Betrieb radikal um.

Schwarz-weiss-Fotografie einer Kuh mit Blumenkranz, die von einem Mann gehalten wird
Ein Knecht posiert mit dem preisgekrönten Rind Vreneli. Bild: Martin Zeller

Die Rebberge verkaufte er und investierte dafür in die Viehzucht. Er reiste an Viehausstellungen im ganzen Land und im nahen Ausland und erwarb die besten Tiere für seine Zucht. Er hatte ein genaues Auge auf die Stammlinien seiner Tiere und dokumentierte seine Zuchtversuche fein säuberlich. Der Aufwand lohnte sich: Seine Tiere wurden regelmässig ausgezeichnet und er konnte sie gewinnbringend verkaufen.

Neben der Viehzucht baute Albert Bühler-Reichling eine Milchwirtschaft auf. 1893 liess er eine neue Scheune mit Stall bauen (über den kunstvollen Bauplan berichteten wir in diesem Blogbeitrag). Das Gebäude entsprach dem aktuellsten Stand der Technik. Der Kuhstall befand sich im Erdgeschoss, darüber das Heulager, das über eine Rampe von der Seestrasse her fast ebenerdig befahrbar war. Der Mist konnte mit einer Kipplore auf Geleisen aus dem Stall geführt und in einen Auffangbehälter gekippt werden. Die neue Scheune galt als Musterbeispiel für moderne Landwirtschaftsbauten und wurde regelmässig von Klassen der Landwirtschaftlichen Schule Strickhof besucht.

Damit verlieh Albert Bühler-Reichling dem ehemaligen Weinbauernhof eine neue wirtschaftliche Ausrichtung, die die kommenden rund hundert Jahre überdauern sollte.Heute werden auf dem Oberhaushof keine Rinder mehr gezüchtet und keine Kühe mehr gemolken. Um die Jahrtausendwende passte sich der Hof einmal mehr den Gegebenheiten der Zeit an. Im ehemaligen Stall befindet sich heute das Labor der biodynamische Pflanzenzüchtung gzpk, die Felder werden von der Getreidezüchtung und Gemüsebauer Jürgen Käfer bewirtschaftet.

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