Ein Beitrag von Florian Christen, Staatsarchiv Zürich.
Im März 2025 war es so weit: Die ersten Dossiers des Familienarchivs Bühler wurden im Online-Katalog des Staatsarchivs Zürich (StAZH) publiziert – all jene Datensätze, für die keine Schutzfristen mehr gelten. Damit ist eine wichtige Etappe abgeschlossen: die Verzeichnung und konservatorische Aufbereitung dieses umfangreichen Familienarchivs. Zugleich markiert dieser Schritt den Beginn einer neuen Phase: der Zugänglichkeit des Archivs für eine breite Öffentlichkeit.
Ein Rückblick: Wie alles begann
Die Nachkommen von Rosmarie und Albert Bühler-Wildberger und heutigen Eigentümer:innen des Oberhauses gründeten im Jahr 2016 die Stiftung Erhalt Lebensspuren Oberhaus, um das Erbe ihrer Vorfahren zu bewahren und zugleich einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Gemeinnützige Fonds des Kantons Zürich unterstützte das Vorhaben finanziell: So blieben die über zehn Generationen angesammelten Objekte und der belletristische Teil der umfangreichen Privatbibliothek im Oberhaus. Dort entstand eine sorgfältig kuratierte Ausstellung, die seit letztem Jahr mittels Führungen besucht werden kann. Die schriftlichen Unterlagen jedoch sowie Fotografien, Pläne, Diplome usw. gingen 2021 als Schenkung ans Staatsarchiv Zürich über (vgl. den Blogbeitrag Lebensspuren im Zwischenarchiv).
Warum das Staatsarchiv?
Das Staatsarchiv des Kantons Zürich kann private Archive übernehmen, wenn sie eine sinnvolle Ergänzung zu den staatlichen Beständen darstellen und von Bedeutung für die Zürcher Geschichte sind. Genau das trifft hier zu: Das Archiv der Familie Bühler bietet einen einzigartigen Einblick in das Leben der ländlichen Oberschicht im Kanton Zürich über mehrere Generationen hinweg – einer Schicht, die in den Beständen des Staatsarchiv bisher noch nicht in diesem Umfang und dieser inhaltlichen Vielfalt vorhanden ist.
Die Archivbearbeitung im Überblick
Die Bearbeitung des Archivs erfolgte in vier Teilen – nach inhaltlichen Gesichtspunkten und konservatorischen Notwendigkeiten:
- Stammsammlung mit Dokumentationen zu Personen, Orten und Gebäuden, daneben Briefsammlungen, Rechnungsbelege und Steuerunterlagen sowie weitere lose Unterlagen.
- Ansichtskartensammlungen, Fotoalben, gerahmte Fotografien, Glasplatten der Familie Boller, Reisefilme von Bertha Bühler (1890–1967), jedoch auch Schulhefte der einzelnen Familienmitglieder aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
- Militärunterlagen von Albert Bühler-Boller (1885–1961), Pläne, Zeichnungen, Diplome, Plakate und ein Stammbaum.
- Druckschriften, darunter Literatur zu verschiedensten Themen, Werbeprospekte und Kataloge, aber auch Mal- und Kinderbücher, handschriftliche Kochrezepte sowie einige Fotografien.
Diese Reihenfolge erlaubte eine effiziente Erschliessung und berücksichtigte gleichzeitig den konservatorischen Zustand der Materialien (mehr dazu im Blogartikel Ordnung ist das halbe Leben – die Erschliessung der Archivbestände des Oberhaushofs).
Eine Win-Win-Win-Situation
Für die beteiligten Akteur:innen – Stiftung, Archiv, Forschende – ergeben sich aus der Schenkung klare Vorteile:
- Für das Oberhaus (Stiftung, Familie und Ausstellung): Das Archivgut ist nun in einer klimatisch stabilen Umgebung sicher aufbewahrt. Fotografien lagern bei 12 °C, Filme wurden digitalisiert, fragile Bücher stabilisiert. Die tiefe Erschliessung und Online-Stellung des Archivverzeichnisses ermöglicht die Nutzung durch ein breites Publikum – und erfüllt damit das Stiftungsziel der Zugänglichkeit vollumfänglich.
- Für das Staatsarchiv: Familienarchive der ländlichen Oberschicht sind im StAZH bislang kaum vertreten. Dieses Archiv dokumentiert über Jahrhunderte hinweg nicht nur familiäre Netzwerke, sondern auch Alltag, Landwirtschaft, gesellschaftliche Funktionen – eingebettet in ein ländliches Umfeld. Besonders spannend ist die parallele museale Aufbereitung im Oberhaus – ein seltener Fall, der potenziell neue Vermittlungswege und Verknüpfungen zwischen Objekten und Archivalien ermöglicht.
- Für die Forschung: Die Quellenvielfalt eröffnet ein breites Spektrum an Forschungsperspektiven. Von sozial- und agrarhistorischen bis hin zu wirtschafts- und regionalgeschichtlichen Ansätzen – der Bestand bietet viel Material und zahlreiche Anknüpfungspunkte. Auch Querverbindungen zu anderen Archivbeständen lassen sich ziehen. Einen besonders unmittelbaren Zugang zu den Lebenswelten im Oberhaus ermöglichen neben dem Schriftgut zahlreiche visuelle Quellen wie Pläne, Fotografien und Postkarten. Als Beispiel sind zwei Audiokassetten von 1988 genannt, aufgenommen am 70. Geburtstag von Hanna Dreher-Bühler, auf denen sie aus ihrem Leben erzählt – ein sehr persönlicher Zugang zur Vergangenheit.
Mit dem Abschluss der Erschliessung und der Veröffentlichung im Online-Katalog beginnt nun eine neue Phase, mit der die Forschenden, aber auch die breite Öffentlichkeit den Lebensspuren des Oberhauses im Staatsarchiv folgen kann.