Verräterische Spuren der Sparsamkeit

Ein Beitrag von Jonas Bühler.

Vor kurzem liessen wir einen alten Ohrensessel, der früher im sogenannten Säli gestanden hatte, neu bepolstern. Nach getaner Arbeit übergab uns Beat Schöbi, der Polsterer, zusammen mit dem frisch bepolsterten Sessel ein Couvert mit Zeitungsschnipseln.

Die Schnipsel stammten von einer Ausgabe der Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterzeitung aus dem Jahr 1950 und waren zu etwa handgrossen Rechtecken zurechtgerissen. Schöbi sagte, er habe sie im Spalt zwischen Lehne und Ohren des Sessels eingeklemmt gefunden.

Zeitungsschnipsel der Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterzeitung aus dem Jahr 1950

Er hatte auch gleich eine Erklärung parat, was es damit auf sich haben dürfte: Er habe solche Schnipsel früher bei seinem Grossvater gesehen. Dieser habe die Zeitung jeweils nach dem Lesen in handgrosse Rechtecke zerteilt, die er danach als Toilettenpapier benutzte.

Damit war der mögliche Verwendungszweck der Schnipsel erklärt. Doch wie waren sie in den Spalt des Ohrensessels gelangt?

Wie bereits erwähnt, hatte dieser Sessel im Säli gestanden. Das Säli war einerseits eine Art Wohnzimmer gewesen, andererseits war hier auch Besuch empfangen worden. Es ist daher denkbar, dass die Hausherrin oder der Hausherr – im Jahr 1950 waren das Hedwig und Albert Bühler-Boller – in der Stube sass und die Zeitung zu Toilettenpapier verarbeitete, als unerwarteter Besuch auftauchte. Da man sich seiner Sparsamkeit schämte, wurde das Beweismaterial kurzerhand in den Sesselspalt gestopft, wo es später vergessen ging.

ein Raum voller Möbel, in der Mitte ein grün bezogener Ohrensessel
So sah der Ohrensessel aus, bevor er neu bepolstert wurde.

Ob es sich tatsächlich so zugetragen hat, können wir nicht wissen. Was wir hingegen mit Sicherheit wissen, ist, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des prächtigen Oberhauses oft sehr sparsam lebten. Man war zwar über Jahrhunderte wohlhabend gewesen, gleichzeitig jedoch auch Teil des Bauernstands, in dem Sparsamkeit als Tugend galt.

In gewisser Weise legte diese Sparsamkeit den Grundstein für die heutige Ausstellung auf dem Oberhaushof. Hätten die früheren Bewohnerinnen und Bewohner nicht all den alten Kram aufbewahrt in der Hoffnung, ihn vielleicht später wiederverwenden zu können, hätten wir heute keine Objekte, die wir unseren Besucherinnen und Besuchern zeigen können.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert