Ein Beitrag von Leonie Rohner.
Wohin nach dem Geschichtsstudium? Diese Frage hatte mich schon einige Zeit beschäftigt, als ich das erste Mal vom Ausstellungsprojekt im Oberhaus hörte. Auf der Website erfuhr ich, dass es um den Erhalt von «Lebensspuren» der Familie Bühler aus über zehn Generationen geht. Was das genau heisst, durfte ich in den darauffolgenden Monaten als Projektmitarbeiterin lernen – und dabei wertvolle Erfahrungen als frisch gebackene Historikerin sammeln.
Von März bis Juni half ich dem Oberhaus-Team, diejenigen Objekte zur Lagerung und Konservierung im Depot vorzubereiten, die nicht in der Ausstellung präsentiert oder im Staatsarchiv aufbewahrt werden. Wie lassen sich Bücher, Kleider, Spielsachen oder Hüte verpacken, damit sie auch in 50 Jahren noch in gutem Zustand sein werden? Ausgerüstet mit Seidenpapier, Bürsten und Bügeleisen machten wir uns im Dienstgebäude in Zürich daran, dies herauszufinden.
Die unzähligen Bücher beispielsweise, die sich im Oberhaus angesammelt hatten, versuchten wir in eine thematische Ordnung zu bringen und wickelten sie dann für die Lagerung in säurefreies Papier ein. Ich lernte, dass vor allem bei älteren Büchern in der Herstellung der Cellulose säurehaltige Chemikalien verwendet worden waren, die unter UV-Einwirkung zersetzend auf das Papier wirken. Oder auch, dass Textilien von Sonnenlicht mit der Zeit sogenannte «Stockflecken» bekommen, die unschön und vor allem nicht mehr rauszukriegen sind. Kleider und Wäsche müssen im Lager also vor Lichteinstrahlung geschützt werden.
Beim Umräumen, Sortieren und Verpacken stiessen wir teils auf Gegenstände, die wir erst einordnen mussten. Dabei half uns die minutiöse Arbeit von Rosmarie Bühler-Wildberger, die die meisten Gegenstände mit kleinen Kärtchen beschriftet hatte. So erfuhr ich, dass ein metallener Ständer mit Kerzenhalter und integrierter feiner Steinplatte ein Nachtlicht war, das früher ans Krankenbett gestellt wurde. Der Schein des Kerzenlichts brachte das im schneeweissen Stein eingeprägte Motiv zum Leuchten. Oder aber, dass Tintenfass nicht gleich Tintenfass ist: Solche konnten im Art-Deco-Stil daherkommen oder in zitronenartiger Form in schimmerndem Grün den Schreibtisch schmücken.
Dass ich nach dem Studium erst einmal Hüte ausstopfen, Leintücher bügeln und alles Mögliche abstauben würde, hätte ich nicht gedacht. Nachdem ich jedoch über Jahre meine Zeit vor allem mit Lesen und Schreiben verbracht hatte, war diese praktische Arbeit mit historischem Bezug eine willkommene Abwechslung – und sie bot mir erste Einblicke in die Sammlungs- und Konservierungstätigkeit. Das Stöbern in den «Lebensspuren» machte mir zudem immer wieder aufs Neue klar, was mich an der Arbeit als Historikerin so fasziniert: die Nähe zu jahrhundertealten Dokumenten und Gegenständen – sie entschlüsseln, interpretieren und vermitteln zu können.